Im Porträt Ilija Trojanow: Ein Schriftsteller zwischen Welten und Geschichten
Standdatum: 8. Mai 2025.

Ilija Trojanow ist ein vielseitiger Autor, der mit seinen Büchern und Essays Brücken zwischen Kulturen schlägt. Wenn er ein Buch herausbringt, entführt er uns in andere Welten – ob nun geografisch oder gedanklich.
Gesprächszeit Ilija Trojanow erzählt vom Wesen der Macht
Ilija Trojanow hat seine Ohren überall: "Es gibt ein wunderschönes Sprichwort aus Simbabwe aus der Schona-Sprache, das da sagt 'erst die Ohren geben der Zunge Leben'", sagt der Schriftsteller und beschreibt damit sein eigenes Leben und Schaffen sehr gut. Schon als Kind bekommen seine Ohren viel mit. Seine ersten Lebensjahre verbringt Trojanow im kommunistischen Bulgarien. Als er sechs Jahre alt ist, fliehen seine Eltern über Italien nach Deutschland. Sein Vater arbeitet als Ingenieur in einer Firma, die dann einen Auftrag in Kenia bekommt. "Und so, wie mein Vater es erzählt hat, saßen sechs gemütliche Bayern um den Konferenztisch herum, guckten alle meinen Vater an und sagten: 'Na, Herr Trojanow, Sie san' ja eh scho' auf Reisen'. Und haben ihn dann nach Kenia verfrachtet", erzählt Ilija Trojanow. Dann zog die Familie nach Nairobi.
Fremdes und Veränderung war nie Bedrohung
Diese Zeit habe ihn geprägt. Weil sich dreimal alles verändert habe. "In meiner kindlichen Wahrnehmung ist das Leben so, dass sich alle paar paar Monate alles ändert. Also wirklich alles: Klima, Sprache, Aussehen der Menschen. Und habe ich mir gedacht: 'Okay, das macht Spaß'. Ich bin immer mit einer unglaublich positiven Haltung auf jede Veränderung zugegangen“" sagt der Schriftsteller. So kommt er mit vielen Kulturen und Sprachen in Berührung. In der Schule Deutsch, zuhause Bulgarisch, im Alltag Englisch oder auch mal Kisuaheli.
Ich benötige das Papier, weil nur das Papier mir geduldig zuhört.
Ilija Trojanow über das Schreiben
Verliebt habe er sich aber in die deutsche Sprache, so Trojanow. In dieser bringt er seine Erfahrungen und Erlebnisse zum Ausdruck und zu Papier. "Ich benötige das Papier, weil nur das Papier mir geduldig zuhört. Es ist der einzige Ort, wo ich mich auslassen kann, so wie es für mich und für das Thema notwendig ist. Das ist was Wunderbares. Ich brauche das unbedingt, weil der Mensch muss erst noch geboren werden, der mir jetzt eine Woche lang nonstop zuhört, wie ich ihn voll labere", sagt Ilja Trojanow und lacht.
Anstrengung ist etwas Gutes
Ilija Trojanow kann sich nicht hinsetzten und nichts tun. Er ist für seinen Roman "Der Weltensammler" drei Monate durch Tansania gewandert. Dort ist ihm bei einer Wüstenwanderung das Wasser ausgegangen, erzählt der Schriftsteller: "Es gab eine Dürre, und auf einmal waren keine Dörfer und keine Brunnen mehr zu sehen und keine Flüsse und keine Teiche. Und dann muss man hoffen, dass es irgendwann mal kommt. Diese Spannung zwischen dem Hoffen und einer sich allmählich als psychologisches Gift ausbreitenden Panik – das war schon sehr intensiv. Das war eine besondere Erfahrung."
Alles Schöne in meinem Leben habe ich erlebt, wenn ich mich angestrengt habe.
Ilija Trojanow über das Ausreizen seiner Grenzen
Solche besonderen Erfahrungen macht er viele in seinem Leben. Er hat den Ganges vom Ursprung bis zur Mündung befahren. Er hat sich in 80 olympischen Disziplinen ausprobiert. "Anstrengung ist was Tolles", sagt Ilija Trojanow und ergänzt: "Alles Schöne in meinem Leben habe ich erlebt, wenn ich mich angestrengt habe."
Macht als wiederkehrendes Thema
"Das Buch der Macht" heißt sein neues Werk. Dafür hat Trojanow einen bulgarischen Klassiker ins Deutsche übertragen und mit Zitaten aus Philosophie und Literatur ergänzt. Es ist eine Studie über Herrschaft, Macht und ihre Gefahren. Ilija Trojanow erklärt: "Es gibt eine Universalität von Herrschaft. Das erste die Hierarchie. Die basiert auf willenlosen blinden Gehorsam. Das zweite ist Korruption, wo es nur geht. Also benutze Geld als Verführungsmittel, um die Leute abhängig zu machen und um sie zu erniedrigen. Und das dritte ist die einzige Sprache, die du beherrschen musst. Das ist die Sprache der Lüge."
Und deswegen ist es meine Aufgabe, als politischer Intellektueller dagegenzuhalten.
Ilija Trojanow über seine Rolle in der politischen Debatte
Dagegen kämpft der Autor an. Er sucht den Austausch mit Menschen und Kulturen, und findet darin den Stoff für seine vielfach prämierten Reportagen, Romane und Essays, die immer wieder politische Themen behandeln. Die medialen Reaktionen auf Ereignisse sei inzwischen immer panisch, hysterisch, übertrieben. "Und deswegen ist es meine Aufgabe, als politischer Intellektueller dagegenzuhalten. Zu sagen: Jetzt warte mal. Lassen Sie uns das analysieren, lassen uns alle Argumente hören, lassen uns verschiedene Meinungen hören." Diese Besonnenheit, die gesammelten Eindrücke und Erfahrungen, den Austausch mit anderen verwandelt er in Literatur. Ilija Trojanow ist ein vielfältiger Autor und eine Ausnahmeerscheinung in der deutschen Literatur, der seine Ohren überall hat. Sie geben seiner Zunge Leben.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 8. Mai 2025, 18:05 Uhr