Im Porträt Bremer Journalist Hubertus Koch reiste auf dem Balkan zu sich selbst
Standdatum: 17. April 2025.

Hubertus Koch ist freier Journalist, preisgekrönter Filmemacher, Podcaster und Autor. Er ist früh sehr erfolgreich, doch mit fast 30 voll in der Krise. Eine längere Reise hilft ihm da raus. Seine Erfahrungen und Erlebnisse beschreibt er in seinem neuen Buch "Lost Boy".
Gesprächszeit Wie Hubertus Koch seine Süchte in den Griff bekam
Der Schalke-Fan Hubertus Koch ist in der Nähe von Gelsenkirchen geboren. Als junger Mann arbeitete er für das Deutsche Sport Fernsehen. Nach seinem Studium wurde ihm aber klar, dass Fußball zwar eine große Leidenschaft ist, ihn beruflich aber nicht erfüllt. Er wollte etwas Tiefgründigeres machen.
Ich wusste, ich kann jetzt hier nicht den Syrien-Krieg erklären. Aber wenn ich nur fünf Prozent von dem rüberbringe, was ich da an Traurigkeit und Ohnmacht erlebt habe, dann ist es gut.
Hubertus Koch über seine Syrien-Doku, für die er 2016 mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet wurde
2016 wurde Koch mit seiner emotionalen Dokumentation "Süchtig nach Jihad" (2014) schlagartig bekannt. Der Film zeigt, wie die Menschen in einem syrischen Flüchtlingslager zu überleben versuchen, und Hubertus Koch ist mit seiner Kamera mittendrin: "Ich war natürlich sowohl handwerklich als auch inhaltlich überfordert. Ich wusste, ich kann jetzt hier nicht den Syrien-Krieg erklären. Aber wenn ich nur fünf Prozent von dem rüberbringe, was ich da an Traurigkeit und Ohnmacht erlebt habe, dann ist es gut."
Süchtig nach dem Leben
Zwischen 2016 und 2019 arbeitete Hubertus Koch unglaublich viel. Er gründete unter anderem das "Y-Kollektiv" mit – ein Youtube-Kanal, auf dem regelmäßig Dokumentationen und Reportagen erscheinen. Viele TV-Sender hofierten ihn. Aber kurz vor seinem 30. Geburtstag ging nichts mehr – der Journalist fühlte sich komplett ausgebrannt. Koch machte mit seiner Freundin Schluss und kündigte seinen Job. Ein One-Way-Ticket brachte den Filmemacher 2019 direkt nach Sarajevo. Was er in den sechs Wochen auf dem Balkan alles erlebt hat, steht in seinem Buch "Lost Boy. Süchtig nach Leben" (Ullstein, 2025). Darin reflektiert er, warum er viele Jahre regelmäßig zum Joint gegriffen hat: "Es war eine zweckmäßige Benutzung, um mich runterzufahren. Ich finde, Cannabis ist eine sehr unterschätzte Substanz. Ich habe einige Unternehmungen gestartet, aufzuhören und bin oft gescheitert."
Katastrophe. Katastrophe. Katastrophe.
Hubertus Koch über Prominente, die Werbung für Sportwetten machen
Seit über vier Jahren lebt Hubertus Koch nun ohne die Droge. Zunächst kompensierte er den fehlenden Joint noch mit Alkohol, dann mit Spielsucht. Wie leicht die Nutzer über die normale Fußballberichterstattung an Sportwetten geraten können, ist für den Bremer Journalisten eine "Katastrophe. Katastrophe. Katastrophe."
Zwischen Selbstdarstellung und Verantwortung
Während seiner Balkanreise hatte er viel Zeit zur Selbstreflexion. So sieht er seinen frühen beruflichen Erfolg heute kritisch. In all seinen Dokumentationen war Hubertus Koch stets bereit, vor laufendenden Kameras Gefühle zu zeigen. Das ist eine authentische Erzählweise, die besonders auf Youtube bestens funktioniert. Sie ist aber auch äußerst subjektiv und das ist für den Journalisten Hubertus Koch heute problematisch: "Das ist ein ganz schmaler Grat, dass es einfach sinnlose Selbstdarstellung wird", sagt er rückblickend und plädiert für ein hohes Maß an Fingerspitzengefühl und Professionalität.
Doch Hubertus Koch ist auch ein Kind der Generation Y – und gibt ihr ein Gesicht: "Mittlerweile frage ich mich: Will ich das eigentlich wirklich so von einer Liane zur anderen und gar nicht wissen, wohin? Ist irgendwie cool, es bleibt immer aufregend. Aber so ein bisschen mehr Ruhe, ein bisschen mehr Kontinuität wäre vielleicht auch nicht so verkehrt", sagt der 35-Jährige.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 22. April 2025, 18:05 Uhr